Berlin, 2. Oktober 2019 – Serviced Apartments wachsen seit Ende der 1990er Jahre auf dem deutschen Markt mit ungebremster Kraft und haben sich seitdem durch ihr Wohnkonzept und aktuelle Reisetrends von der Nische zu einem der größten Shootingstars der Temporären Wohnwelt entwickelt. Seit 20 Jahren ist Anett Gregorius, Inhaberin und Gründerin von Apartmentservice, als Beraterin und Vermittlerin auf dem Markt aktiv. Ein Gespräch mit der Berlinerin über frühe Selfmade-Gastgeber, selbst abwaschende Chefs und Anrufe aus London.
Frau Gregorius, was hätten Sie nach dem BWL-Studium gemacht, wenn Ihnen nicht Ihr Professor das Diplomarbeitsthema Serviced Apartments angetragen hätte?
Ich wollte in die Hotellerie und hatte Pläne, nach Australien auszuwandern, wo ich nach dem
Studium einige Monate verbrachte. Aber ich hatte bereits mit meiner Diplomarbeit den ersten Consulting-Auftrag in der Tasche und gründete 1999, zurück in Deutschland, Boardinghouse Consulting und die Buchungsplattform boardinghouse.de, die ich 2001 ins internationalere apartmentservice.de umbenannte.
Wie war die Marktstimmung Ende der 1990er Jahre?
„Boarding … was?“, lauteten damals viele Reaktionen. Die wenigsten kannten den Begriff, die meisten setzten uns mit Hotels und Ferienwohnungen gleich. „Glauben Sie wirklich, dass mein Chef in einer Ferienwohnung wohnt und seinen Abwasch selbst macht?“, haben wir oft gehört und mussten viel erklären. Inzwischen hat sich das Segment professionalisiert, es gibt viele Mitspieler bei einem gigantischen Tempo. Das Segment fliegt, wir fliegen mit.
Haben sich auch die Akteure wesentlich verändert?
Anfangs war das Segment von vielen engagierten Quereinsteigern und kleinen Projekten geprägt. Sie eröffneten irgendwo ein paar Apartments und richteten sie mit Ikea und Co. ein. Heute werden Projekte sofort unter dem Aspekt der Multiplizierbarkeit entwickelt. Viele Entwickler haben Ambitionen, Betreiber-Know-How aufzubauen. Es sind Strukturen eingezogen, die die Akteure von Beginn an groß denken lassen. Fast jedes Hotelbrand hat eine Extended-Stay-Marke. Hinzu kommen die Wohnwirtschaft und Player aus dem Student-Living-Bereich. Jeder will mitspielen. Eine unglaubliche Vielfalt ist in den Markt eingezogen.
Welche Produkte haben Sie damals für das Segment so brennen lassen?
Für das Konzept war die Begeisterung sofort da. Aber vor allem Häuser, die ich in Sydney gesehen hatte, rissen mich mit – weil sie in bester Lage und Großzügigkeit zeigten, wie attraktiv und anders die Wohnkonzepte von Serviced Apartments im Unterschied zu Hotels und starren Wohnungsangeboten waren.
Mit dem Boom des Marktes ist auch Apartmentservice dynamisch gewachsen. Was waren Ihre persönlichen Meilensteine in den letzten 20 Jahren?
Neben den ersten großen Kunden, war es 2006 die Fußball-WM, bei der wir den WDR betreuen durften. Heute können wir viele große Projekte begleiten, wie die Entwicklung eines Aparthotels im LabCampus am Flughafen München oder die Marke Splace, die VW im Januar2020 launcht. Anfang 2019 haben wir auch im Kontext eines Rahmenvertrags die strategische Ankaufsberatung der Union Investment für den Bereich der Serviced Apartments übernommen. Entscheidend war und ist für uns, dass wir mit den Akteuren Standards entwickeln und den Markt für weiteres Wachstum transparent machen. So stellen wir seit 2011 mit unserem jährlichen Marktreport die einzigen Primärdaten zur Verfügung, haben die „Charta des Temporäres Wohnens“ mitentwickelt und ein Benchmarking mit STR initiiert. Zudem war ich 2017 Mitherausgeberin des Fachbuchs „Kompendium des Temporären Wohnens“. Zu den größten Meilensteinen zählt für mich seit 2013 aber auch die SO!APART, die heute wichtigste Fachtagung des Segments im deutschsprachigen Raum. Das Vertrauen, das wir mit ihr erleben, und das entstandene Netzwerk begeistert mich bis heute. Kurz nach dem Launch rief mich zum Beispiel Piers Brown, Herausgeber von Serviced Apartment News, aus London an und lud uns zu seinen Veranstaltungen ein. Zugleich begann die Zusammenarbeit mit der internationalen Branchenorganisation ASAP, für die wir heute der wichtigste DACH-Ansprechpartner sind.
Und die schwierigsten Phasen?
2009 die Wirtschaftskrise. Ich war gerade mit meinem Team in ein neues Büro gezogen und verzeichnete einen großen Einbruch bei den Einnahmen. Zugleich war ich schwanger mit dem zweiten Kind, musste Entscheidungen treffen, auf die kein Studium, kein Lehrbuch vorbereitet. Aber auch Wachstum ist eine Herausforderung, insbesondere in einem so dynamischen Wachstumssegment, dass permanent durch neuen Wettbewerb geprägt ist. Hier gilt es nie seinen roten Faden zu verlieren, eigenen Zielen treu zu bleiben und nicht jedem Trend hinterher zu hecheln.
Welche weiteren Pläne haben Sie für Apartmentservice?
Wir haben 2019 unser Team um weitere Branchenexperten erweitert. Im Bereich Vermittlung können wir so die Unternehmen, Travelmanager und Relocater, die 95 Prozent unserer Kunden stellen, weiter mit viel Spezial-Know-how und Persönlichkeit betreuen. Im Bereich Consulting treiben wir das Thema Betreibervermittlung stark voran und bauen ein eigenes Betreiber-Rating für das Segment auf – für noch mehr Marktdynamik, Transparenz und Entwicklung.
Foto: Anett Gregorius, Inhaberin und Gründerin von Apartmentservice © Bastian Bartsch studioZWO